Immer wieder erlebe ich, wie uns in der Kunst Methaphern für das Leben gegeben werden. Wie wir auf dem Papier und auf der Leinwand, beim Töpfern, Tanzen und Gestalten lernen können, mit den Unwegsamkeiten unseres Seins umzugehen.
“There is a crack in everything, that’s how the light gets in” Leonhard Cohen
Wie aus Wunden Wunder werden erlebte ich vergangenen Sommer im Workshop „Heilsames Intuitives Malen“ mit Ulrike Hirsch. Mit einem weissen Blatt vor uns liegend waren wir eingeladen, in einer schnellen Geste ohne groß darüber nachzudenken, eine Spur zu hinterlassen. Das Blatt war plötzlich nicht mehr rein, es trug ein Mal, eine Wunde. Nun lag es an uns, aus dieser Versehrung, dem Fleck, dem Störer und vielleicht auch hässlichem Flatsch etwas zu machen. Ein Wunder daraus entstehen zu lassen. In ein neues Werk einzuarbeiten, es zu umschliessen und blühen zu lassen.
Das Papier ist eine gute Übungsfläche, ein geschützter Raum, auf dem wir unsere Haltung üben können, auf dem uns nichts passieren kann. Wir können gern auch mal ungewohnte Pfade gehen, Vetrautes verlassen und wieder neugierig und unbedarft wie ein Kind die Welt (oder das Papier) erkunden. Das macht Spaß, ist manchmal eine Herausforderung, aber eine großartige Chance.
Das Papier als geschützter Ort
Ich lade dich heute ein, einmal zunächst auf dem Papier Wunder entstehen zu lassen. Nimm dir ein leeres Blatt, einen großen Pinsel und schwarze Tinte. In einer einzigen Bewegung und Geste versehre das Blatt mit einer Wunde, einem Strich. Bessere nicht nach. Wenn der Strich getrocknet ist, arbeite daran weiter. Tobe dich aus auf dem Papier, lass es fliessen, werde wieder zum Kind und folge neugierig dem, was passiert. Spüre dabei achtsam, wie du körperlich darauf reagierst: Gefühle, Nuancen, Herzklopfen oder auch Tränen. Ein interessanter Prozess im geschützten Rahmen des Papieres kann entstehen. Ohne Bewertung, ohne Druck und Ergebniserwartung. Aus Wunden werden Wunder.