Ungefähr in der fünften Klasse, mit Start meines Russisch-Unterrichtes, hatte ich meinen ersten Brieffreund. Kolja lebte in Russland. Wir schickten uns regelmässig Briefe, die ich gemeinsam mit meinen Eltern aus der fremden Sprache und zurück übersetzte. Manchmal bekam ich auch Pakete mit tollen Dingen aus Russland. Das fand ich schon immer sehr spannend. Später erweiterte ich meine Brieffreundschaften auch in andere Teile der Welt. Bis heute bin ich begeisterte Briefeschreiberin.
Im Februar ist International Correspondence Writing Month. Dabei geht es genau darum: um das gute alte Briefeschreiben. Doch wie schreibe ich eigentlich einen Brief und woher bekomme ich BrieffreundInnen?
BrieffreundInnen finden
Meine ersten Kontakte nach Kolja erhielt ich über einen Brieffreundeclub. Dort konnte man seine Adresse hinschicken und erhielt im Gegenzug eine Liste mit schreibwilligen Menschen, die zu einem passten. Später begannen die SchreiberInnen, sich gegenseitig kleine gebastelte Heftchen zum Weiterschicken mitzusenden. Darin vermerkte man seine Adresse, ein paar Notizen zu sich selbst. Die wurden dann weitergeschickt. Wenn ich interesse an einer neuen Brieffreundschaft hatte, konnte ich an eine Adresse aus diesem Heftchen schreiben. Das entwickelte sich dann weiter. Die Schreibinteressierten dekorierten ihre Seite, schrieben Hobbies und Interessen dazu. So entstanden die FB’s (Friendshipbooks) und daraus die Decos (decorated Friendshipbooks). Das war eine ganz eigene Szene. ich weiss gar nicht, ob es sie noch in diesem Ausmaß gibt.
Eine Möglichkeit, sich dem Briefe- und Kartenschreiben zu nähern, ist die Plattform Postcrossing.com. Auch auf Facebook gibt es Gruppen, wo man gezielt nach neuen Brieffreundschaften suchen kann.
Du kannst aber auch einen Brief an FreundInnen schreiben. Beginne doch mit Urlaubs- oder Geburtstagspost.
Briefe schreiben
Beschrifte zuerst den Umschlag. Denn wenn du den Brief geschrieben hast, fehlt dir vielleicht die Muße für den Umschlag, und er wirkt dann nur noch hastig verschickt. Die Sorgfalt des Inhalts darf sich also gern auch schon im Außen wiederfinden.
Die Anschrift sollte mit wasserfestem Stift/Tusche geschrieben sein, damit sie lesbar bleibt, auch wenn der Brief im Regen nass werden sollte. Es gibt eine Richtlinie, wie ein Brief beschriftet sein soll, damit er maschinenlesbar ist. Briefe, die dem nicht entsprechen, müssen nachträglich von Hand sortiert werden und dauern eventuell länger in der Zustellung.
Und was soll ich da schreiben? Ich beginne meistens mit einer kurzen Beschreibung meines Umfeldes. Also wo sitze ich, wie ist es um mich herum (es ist Sonntag Morgen, draussen schneit es, das Feuer knistert im Ofen) und wie ich mich fühle. Dann wechsle ich über zu einem anderen Thema. Das varriert je nach BriefpartnerIn. Es kann eine Frage sein, die ich beantworte, ein Plan, der mir durch den Kopf geht oder ein bisschen Alltagsgeplänkel. Zum Geburtstag passen wertschätzende Worte für das Gegenüber und natürlich Glückwünsche. Einmal angefangen, fliessen die Sätze meist wie von selbst aus der Feder. Manchmal schreibe ich viel, manchmal wenig. Einige Briefe dauern mehrere Tage, andere sind in einer halben Stunde fertig.
Das Drumherum
Was einen Brief sehr besonders macht, ist natürlich das Drumherum. Briefe schreiben ist etwas sehr sinnliches. Das Papier zwischen den Fingern spüren, der Geruch, das Rascheln. Wähle ein Papier, auf dem du gut schreiben kannst. Je nach Stift kann das ganz unterschiedlich sein. Der Brief kann von edel bis künstlerisch, von minimalistisch bis ausschweifend. Ein handgeschriebener Brief enthält auch immer ein bisschen Persönlichkeit des Schreibers/ der Schreiberin. Es ist eine schöne Art, das Leben ein bisschen zu verlangsamen. Wenn du magst, kannst du das richtig zelebrieren. Dich eigens zum Schreiben in ein Café setzen oder dir einen besonderen Stift dafür aussuchen.
Ich ergänze meine Post auch gern mit schönen Karten, vielleicht einem Teebeutel oder einer flachen Minischokolade. Manchmal auch mit einem Fundstück aus der Natur – ein gepresstes Blatt oder das erste Veilchen des Frühlings. Mach deinen Brief zu einem sinnlichen Erlebnis, zu einem kleinen Geschenk.
Inspirationen rund um das Briefeschreiben
Jetzt hast du bestimmt Lust bekommen, gleich deinen ersten Brief zu schreiben. Hier habe ich dir noch einige Inspirationen rund um das Thema zusammengetragen.
- Lindsey von Thepostmansknock hat ein Briefschreibtutorial mit vielen Ideen und Vorlagen. Darin enthalten ist eine Liste für deine Adressen, Ideen zur Umschlaggestaltung und zur Themenfindung: The letter writer’s complete resource.
- Ausserdem zeigt sie in einem Video, wie du dir einen Briefumschlag selbst herstellen kannst.
- Eine Anleitung für einen Umschlag aus Übungspapier und Ideen für Karten gibt es bei Wortspuren.
- Im Onlinekurs Inspired by Lives and Letters zeigt Lendon Noe, wie sie sich von Briefen inspirieren lässt und tolle Bilder und Briefkunst entstehen lässt.
- Baum-kuchen zeigt viele Ideen rund um das analoge Leben, Briefe schreiben und Skizzieren. Es gibt viele Einblicke in die Möglichkeiten zur Gestaltung mit Stempeln, Washitapes, Packpapier und Schnüren. Allein schon das Anschauen bereitet mir große Freude.
- Luiban, ein kleiner Laden in Berlin, führt tolle Papiere, Stifte und hochwertigen Schnickschnack für das Papeterieherz.
- Ich habe auch gelebt. Briefe einer Freundschaft. Astrid Lindgren und Louise Hartung* Ein Einblick in den Briefwechsel der beiden Frauen. Sehr herzwärmend und persönlich. Auch als Hörbuch toll gelesen.
- Schreiben sie mir, oder ich sterbe* Auch in diesem Buch geht es um geschriebene (Liebes)Briefe. Das Buch ist wunderschön aufgemacht und auch als Hörbuch erhältlich.
- Offenbacher – mein Onlinekurs zum Schreiben altdeutscher Schrift und hier ein kleiner Überblick über die verschiedenen altdeutschen Schreibschriften.
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